Der rechte Arm, mit dem die 136-jährige Dame eine vergoldete Fackel in die Höhe reckt, mißt 12,8 Meter. Und mit ihrer 1,37 Meter langen Nase liegt die einzige Bewohnerin von Liberty Island im New Yorker Hafen in Sachen Barrierefreiheit ganz weit vorne.
Barriere-Freiheitsstatue darf sie sich schon seit dem letzten Jahrhundert nennen!
Seit 1985 besitzt „Lady Liberty“ einen modernen Aufzug zum Aussichtsbereich des Sockels. Die Statue zählt daneben zu den öffentlichen Gebäuden der Vereinigten Staaten, für die schon frühzeitig eine Audiodeskription erstellt wurde.
Aber wer hat eigentlich die Audiodeskription erfunden?
Professor Gregory Frazier aus den USA suchte in den 70er Jahren nach einer Methode, visuelle Medien für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen zugänglich zu machen. Anfang der 80er Jahre tat er sich zur Weiterentwicklung seiner Theorie der Audiovision mit August Coppola an der San Francisco University School of Creative Arts zusammen.
Das Ergebnis seiner Arbeit, die Audiodeskription, präsentierte Frazier 1989 persönlich bei den Filmfestspielen in Cannes, wo in Europa erstmals Filme als Hörfilm gezeigt wurden!
Jetzt aber schnell zurück in die Gegenwart und in die Zukunft!
Wieso gibt es eigentlich bis heute, 29 Jahre später, bei keinem Filmpreis eine Statuette für die beste barrierefreie Filmfassung? Wie zum Beispiel einen Barrierefreiheits-Oscar oder einen Barrierefreiheits-César, um nur die prominenten Trophäen aus den USA und Frankreich zu nennen.
Vielleicht, weil noch niemand auf diese Idee gekommen ist?
Wir von Kinoblindgänger gGmbH greifen diese Idee jetzt und hier auf!
Wäre unser Arm auch noch so lang, bei den ausländischen Filmpreisen können wir nichts ausrichten. Wir bleiben im Lande und treten dafür beim Deutschen Filmpreis ein für gleich
zwei neue Lolas
in den Kategorien „Audiodeskription“ und „Erweiterte Untertitel“!
Weshalb? Einen Film entweder nur mit Bild oder nur mit Ton erleben zu können, ist nicht einmal der halbe Kinospaß. Abhilfe schafft die barrierefreie Fassung, die ein unverzichtbarer Bestandteil jedes Films ist!
Sie bringt der einen Zielgruppe das Bild ins Ohr und der anderen den Ton vors Auge. Dies mit einem qualitativ hohen Anspruch zu gewährleisten, ist jedes Mal eine große Herausforderung an die damit befaßten Teams.
Deshalb verdient es die beste barrierefreie Fassung, beim Deutschen Filmpreis genauso ausgezeichnet zu werden wie das beste Szenenbild und die beste Filmmusik!
Warum gleich zwei Lolas? Bei den erweiterten Untertiteln für Hörgeschädigte werden die Dialoge visuell erfaßbar gemacht und Umgebungsgeräusche beschrieben. Die Audiodeskription ist eine akustische Bildbeschreibung. Beide sind spezielle Kunstformen mit einem grundverschiedenen Ansatz und werden zeitintensiv von jeweils speziell geschulten Fachleuten erstellt.
Darum lassen sich die Audiodeskription und die erweiterten Untertitel als barrierefreie Fassung genauso wenig in eine Kategorie packen wie die Bild- und Tongestaltung.
Und darum zwei Barrierefreiheits-Lolas in den Kategorien
„Beste Filmfassung nur für die Augen“ und „Beste Filmfassung nur für die Ohren„!
Für die erweiterten Untertitel wäre eine Auszeichnung beim Deutschen Filmpreis eine längst überfällige Premiere.
Bezüglich der Audiodeskription ist der DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband) seit 16 Jahren Vorreiter. Als Veranstalter des Deutschen Hörfilmpreises vergibt er alljährlich für die beste Audiodeskription einen Preis, bisher war es „Die Lauschende“, in diesem Jahr wurde die Trophäe auf den Namen „ADele“ getauft.
Wir möchten unsere Initiative als Ergänzung zu dieser Veranstaltung verstanden wissen, weil wir der Ansicht sind:
Immer und überall, wo Filme (Kino oder TV) ausgezeichnet werden, muß auch die barrierefreie Filmfassung gleichberechtigt mit einbezogen werden. Das wäre der einzige Weg, um diese von ihrem Image als „notwendiges Anhängsel“ zu befreien und trüge dem Inklusionsgedanken par excellence Rechnung!
Daher wäre eine Barrierefreiheits-Lola auch keine Konkurrenz für die „ADele“ des DBSV, sondern würde im Gegenteil sogar deren Bedeutung hervorheben, nicht nur in der Filmbranche. Die Verleihung der Lola wird öffentlichkeitswirksam auch im Fernsehen übertragen. Eine Lola, die darauf aufmerksam macht, wie wichtig barrierefreie Filmfassungen sind, wäre für alle Betroffenen hilfreich.
Wie gehen wir vor?
Zunächst wollen wir mit einem Offenen Brief um Unterstützer und Unterstützerinnen für die neuen Lolas werben.
Dann werden wir mit einer hoffentlich langen Unterschriftenliste bei der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) vorsprechen. Dort wird über die Kategorien beim Deutschen Filmpreis entschieden.
Die in New York lebende Designerin Mechthild Schmidt kreierte die inzwischen 19-jährige Lola. Nach ihrer Vorstellung soll die Figur Inspiration und Muse, aber auch Dynamik und Wandel verkörpern.
In diesem Sinne spricht alles dafür, daß die nur 30 cm kleine Lola ihr Näschen bald ganz weit vorne hat, indem sie als Erste auch gelungene barrierefreie Filmfassungen würdigt!